1.5 Radiohören – aber wie? Detektor oder Röhre, Kopfhörer oder Lautsprecher?

Wer ein paar hundert Mark locker machen konnte, hatte keine Probleme. Er ließ sich einen Mehrröhrenempfänger installieren und eine gute Antenne bauen. Nur wenige zählten zu diesen Glücklichen. Mit einem Wochenlohn von ca. 25 Mark in der Tasche musste man scharf rechnen. Also besorgte man sich einen Katalog.

 

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Der enthielt betriebsfertige Detektorgeräte und wenige Röhrenapparate; aber viel Zubehörteile, beginnend beim Kopfhörer bis zum Antennenmaterial. Und alle Einzelteile für den Selbstbau von Radios, mit denen aber im ersten Drittel 1924 laut Gesetz nicht empfangen werden durfte. Er war schon sehr verunsichert, der gesetzestreue Bürger, zumal dieser oder jener Nachbar doch bereits am „Selbstgebastelten“ hörte.

„Fangen wir halt mit dem Detektor an“, sagte sich manch Vor-sichtiger, den bekommt man einschließlich Kopfhörer schon ab etwa 20 Mark und als Antenne tut’s vielleicht fürs erste das eiserne Bettgestell – wenn der Sender nicht weit weg ist.

Nun aber galt es, den richtigen Detektor auszuwählen – den Anzeigen konnte man schließlich nicht glauben – da sollte doch jeder „der Beste“ sein. Und was gab es für eine Unzahl von Detektor.- und Kristall Anbietern. „Tausend Marken“ – wie die Merkur GmbH in ihrer Anzeige schrieb – war natürlich übertrieben, aber Hundert waren es sicher.

 

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Der französische Galène Kristall sei das Ideal – propagierten die Einen – überhaupt nicht, meinten Andere, die englischen Koh-i-Noor, The Miracle und die Senzith Crystals sind unübertroffen. Wieder andere benannten ihre Stein-chen unbekannter Herkunft mit wohlklingenden Namen wie: Selectite, Markonit, Progressit, Neutron, Sonar, Luxor, Rhenatit, Rhein-Gold, Rotorit, Ultra Extra, Kristalan, Perfect, Teleosit, Williamit oder Universal, sogar „Der Stein der Weisen“ wurde angeboten.

Aus Bleiglanz, Arsenkies, Rotzinkerz usw. bestanden diese Halbleiter; selten aus Carborundum, bei dessen Verwendung eine Vorspannung erforderlich war. Auch Silizium war schon bekannt und synthetische gab es auch.

 

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„Passend nur ..“ 110 M. da hat wohl der Setzer etwas zu tief ins Glas geschaut „Funk“ enthielt im Dezember 1924 die folgende Mitteilung:

Wieder ein neuer Detektor! Wie viele sind nun schon am Markt, aber wie viele sind brauchbar davon? So mancher sieht schön aus, wirkt aber schlecht. Der „Starkton“-Detektor vereinigt u.a. Eleganz und verblüffende Wirkung.

 

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Der „Radio Amateur“ veröffentlichte im April 1925 auf Seite 395 eine Tabelle mit den Meßwerten von 29 Kristallen. Das war eine Orientierungshilfe für die Amateure und einer der „Geplagten“ schrieb im Juli Heft 1925: „Dieses Suchen kostet Geld und es ist nur sehr zu begrüßen, wenn uns Amateuren Hinweise auf Fabrikate gegeben werden, die am besten geeignet sind. Es wäre zweckmäßiger, wenn die vielen Firmen, welche Detektorkristalle anpreisen, sich über die Geeignetheit der Erzeugnisse eingehender orientieren würden, als nur Handel damit zu treiben und sie den Amateuren als ‚Universal Kristall‘ anzupreisen“.

 

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Viele verließen sich auf die guten Namen der Fabrikate. Blaupunkt hatte den Idealit- und den Super Kristall (lautstark wie eine Röhre), und Telefunken den Arconit? – den offerierte aber G. Arndt.

Alles Unfug, sagten die Kristall Gegner – nur der Metallgleichrichter erspart das Suchen mit der Kontaktfeder. Der aber setzte sich überhaupt nicht durch – man blieb bei den Kristallen, obwohl sie doch stets für Ärger sorgten.

Hatte man endlich mal die richtige Kontaktstelle am Bleiglanz gefunden, dann versagte sie bei der kleinsten Erschütterung wieder und das „Stochern“ begann von neuem.

 

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Der „Detektor-Teufel“

 

Wie war es möglich – mag man sich heute fragen – dass dem Kristalldetektor gut zwei Jahre lang so große Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Der „Radio Händler“ erklärt es in einem Rückblick auf „Das Radiojahr 1925“, welcher im 1. Januar Heft 1926 erschien: Ein Jahr der wirtschaftlichen Depression hätten wir hinter uns gebracht und die Aufnahmefähigkeit Deutschlands für Radioapparate sei infolge der überall herrschenden Geldknappheit verhältnismäßig gering gewesen.

 

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Tabelle aus „Funk“, Juni 1925

 

Obwohl die Teilnehmerzahl am deutschen Unterhaltungsrundfunk um die Jahreswende 1925/26 schon auf etwa 1 Million angestiegen war (über 400.000 davon waren Berliner), beherrschte für den Nahempfang noch immer der Detektor das Feld. Die Rundfunkteilnehmer und „Zaungäste“ schätzten ihn wegen der geringen Kosten und Dr. E. Nesper (in: „Der Radio Amateur“ Heft 10/1924) wegen seiner verzerrungsfreien Wiedergabequalität. Otto Kappelmayer schloss sich dieser Meinung an und scheute auch nicht vor der Empfehlung zurück, das Detektor Empfangsgerät durch einen Gegentakt Kraftverstärker zu vervollkommnen.

Indes – wer all die gepriesenen Kristalle durchprobiert und dieselben lange genug verflucht hatte, und wer nicht eben zum Kreis der Minderbemittelten gehörte, fasste den Entschluss: ein Röhrenaudion muss her – und möglichst gleich noch mit einem Zweiröhren Niederfrequenzverstärker.

Dann wäre man auch den lästigen Kopfhörer los, die laut einem Bericht in „Die Sendung“ vom Juli 1927 sogar zu Hautausschlägen führen konnten. „Der Deutsche Rundfunk“ machte sich in seiner Ausgabe vom März 1925 über einen Vorteil des Kopfhörers lustig: „Keine abstehende Ohren mehr!“

 

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Am Röhrenapparat konnte man mit dem Trichterlautsprecher hören, aber billig war dieses Vergnügen nicht. Das Gerät, die Röhren extra, der Lautsprecher und die gesondert ausgewiesene Lizenzgebühr. Obendrauf noch die Anodenbatterie mit ihrer begrenzten Haltbarkeit, und ein Heizakku, der stets wieder aufgeladen werden musste.

 

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Wer keine eigene Ladevorrichtung besaß, musste den Akku von einem Radiohändler aufladen lassen

 

 

 

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